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Die Frage, welches Design den Weg zur wirtschaftlich nutzbaren Kernfusion weist, beschäftigt Forscher und Industrie weltweit. Zwei der wichtigsten und fortschrittlichsten Maschinenkonzepte für den magnetischen Einschluss des heißen Plasmas sind der Tokamak und der Stellarator. Beide Systeme versuchen, das „Sternfeuer“ im Labor zu bändigen und als Energiequelle verfügbar zu machen – allerdings mit stark unterschiedlichen technischen Ansätzen, Vor- und Nachteilen. Im Folgenden werden die Konzepte tiefgehend analysiert und gegenübergestellt.
Was ist ein Tokamak?
Der Tokamak (Abk. für „Toroidal’naya Kamera s Magnitnymi Katushkami“, russisch für „Toroidale Kammer mit Magnetspulen“) wurde in den 1950er Jahren in der Sowjetunion entwickelt und ist heute das meistverfolgte Design weltweit. Das Grundprinzip: Das Plasma wird in einem ringförmigen, torus-ähnlichen Gefäß eingeschlossen. Die Magnetfelder entstehen durch eine Kombination aus externen Magnetspulen und einem im Plasma selbst induzierten elektrischen Strom.
Die wichtigsten Bauelemente:
- Toroidale Magnetspulen erzeugen das Hauptmagnetfeld entlang des Plasmarings.
- Poloidale Magnetspulen kontrollieren die Stabilität und Form des Plasmas.
- Ein starker Transformer-Strom wird im Plasma selbst erzeugt, ähnlich wie in einem riesigen elektromagnetischen „Kurzschluss“.
Der Tokamak kann dadurch effektiv hohe Plasmatemperaturen erzielen und eignet sich besonders für experimentelle Studien und große Energieausbeute.
Was ist ein Stellarator?
Der Stellarator wurde in den USA bereits in den 1950er-Jahren entwickelt und erlebt seit den 1990ern und 2000ern eine Renaissance. Das Funktionsprinzip: Das stabile Magnetfeld im Plasma wird ausschließlich durch ein komplexes System von externen Magnetspulen erzeugt – der Transformatorstrom im Plasma ist nicht erforderlich.
Charakteristisch für Stellaratoren:
- Die Magnetspulen sind dreidimensional „verdreht“ und verschlungen, um das Magnetfeld im Torus zu optimieren.
- Die Folge: Keine zyklischen Strompulse im Plasma, sondern eine kontinuierliche Magnetfeld-Konfiguration.
- Weniger Probleme mit so genannten „Disruptions“, also plötzlichen Kollapsen des Plasmas, wie sie bei Tokamaks auftreten können.
Vergleich der wichtigsten technischen Aspekte
| Aspekt | Tokamak | Stellarator |
|---|---|---|
| Magnetfeldquelle | Extern + Plasma-Strom | Externe, komplexe Spulen |
| Betrieb | Pulsbetrieb (wegen Induktionsstrom) | Dauerbetrieb (Continuous Mode) |
| Plasma-Stabilität | Anfällig für Disruption | Tendenziell stabiler, weniger Disruption |
| Komplexität | Simpler Rotor („Ring“) | Hochkomplexes Spulensystem |
| Wartungsaufwand | Geringer | Hoch, wegen komplexer Geometrie |
| Steuerbarkeit | Einfacher regelbar | Schwieriger einzustellen |
| Mögliche Leistung | Hohe Plasmadichte und Temperatur | Gut, aber oft geringere Energiedichte |
Vorteile des Tokamak-Konzepts
- Etabliert, viele experimentelle und theoretische Daten verfügbar.
- Schnelle Hochskalierbarkeit bei Forschung und Entwicklung.
- Hohe Plasmadichte und Leistung möglich – ideal für Demonstrationsreaktoren (z.B. ITER, Frankreich).
- Einfachere Wartung und Steuerung durch axial-symmetrische Geometrie.
Nachteile des Tokamak-Konzepts
- Pulsbetrieb schränkt die Umsetzbarkeit als dauerhaftes Kraftwerk ein.
- Transformator-Strom im Plasma führt zu Disruptionen, die den Betrieb stören und den Reaktor gefährden können.
- Tempo der Energieerzeugung limitiert durch den Magnetstrom.
Vorteile des Stellarator-Konzepts
- Kontinuierlicher Dauerbetrieb, keine Strompulse nötig.
- Deutlich weniger Plasma-Disruptionen, geringere Ausfallgefahr.
- Höhere Betriebssicherheit durch äußere Magnetkontrolle.
- Ideal für stabile, kommerzielle Kraftwerksprozesse.
Nachteile des Stellarator-Konzepts
- Konstruktion und Engineering sehr anspruchsvoll – externe Spulen müssen aufwendig gefertigt und exakt ausgerichtet werden.
- Wartung und Reparatur komplexer.
- Forschungsstand weniger breit als beim Tokamak, weniger Erfahrung bei Großskalierung.
Aktuelle Forschung und Zukunftsperspektiven
Der europäische Großtokamak ITER gilt als das Flaggschiff des Tokamak-Konzepts. Er soll ab 2030 zeigen, dass ein Nettoenergiegewinn erreichbar ist. In Deutschland betreibt das Max-Planck-Institut in Greifswald den weltgrößten Stellarator „Wendelstein 7-X“, der auf Dauerbetrieb und Plasma-Stabilität ausgelegt ist. In Japan konzentriert sich Helical Fusion auf fortgeschrittene Stellarator-Technologien mit industriellen Hochtemperatur-Supraleitern für den Magneteinschluss.
Neue Werkstoffe, wie Hochtemperatur-Supraleiter, ermöglichen beiden Konzepten deutlich höhere Magnetfeldstärken und kompaktere Reaktordesigns. Die technischen und wirtschaftlichen Anforderungen – wie Wartungsfreundlichkeit, Energieausbeute und Betriebssicherheit – entscheiden in den kommenden Jahren, welches System die globale Energieversorgung prägt.
Fazit: Was ist besser?
Der Tokamak hat den Vorteil der Forschungsbreite, hoher Plasmaleistung und des einfacheren Designs – steht aber vor Problemen bei Dauerbetrieb und Disruptionen. Der Stellarator glänzt mit Stabilität und Dauerlauffähigkeit, verlangt aber höchste Ingenieurskunst und ist (noch) teurer und komplexer im Aufbau und Betrieb.
Die finale Antwort auf die Frage nach dem besseren Konzept hängt noch von den künftigen Fortschritten bei Materialentwicklung, Betriebssicherheit und Kosten ab. Gut möglich, dass industrielle Fusionskraftwerke eine Synthese beider Technologien nutzen werden – doch aktuell beflügeln Tokamak und Stellarator die Hoffnung auf eine saubere, unerschöpfliche Energiequelle für die Zukunft.
