19. Oktober 2025

Yamaha MOTOROiD Lambda – Die Zukunft des Fahrens wird schon geschrieben

Die Grenze zwischen Mensch und Maschine verschwimmt zunehmend, besonders in der Welt der Zweiräder. Auf der Japan Mobility Show 2025 in Tokio präsentierte Yamaha Motor ein Konzeptfahrzeug, das nicht nur fährt, sondern lernt, reagiert und sich entwickelt – das MOTOROiD:Λ (Lambda). Dieses außergewöhnliche Motorrad verkörpert eine Vision, in der Fahrzeuge nicht mehr bloße Transportmittel sind, sondern intelligente Partner, die mit ihren Fahrern eine symbiotische Beziehung eingehen.

Die Evolution einer Vision: Von MOTOROiD zu Lambda

Die Geschichte des MOTOROiD-Projekts begann bereits 2017, als Yamaha auf der Tokyo Motor Show erstmals ein Konzeptmotorrad vorstellte, das sich selbstständig aufrichtete und auf Gesten seines Besitzers reagierte. Damals erschien die Vorstellung eines Motorrads, das seinen Fahrer per Gesichtserkennung identifiziert und auf Handbewegungen antwortet, wie Science-Fiction. Doch Yamaha verfolgte diese Vision konsequent weiter.​

2023 folgte das MOTOROiD2, das die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine auf eine neue Ebene hob. Jetzt, mit der dritten Iteration – dem MOTOROiD:Λ – erreicht Yamaha einen Meilenstein: Ein Motorrad, das durch Reinforcement Learning und Sim2Real-Technologie in virtuellen Umgebungen trainiert und dieses Wissen dann in die reale Welt überträgt.​

Die Entwicklung spiegelt Yamahas tiefgreifende Philosophie Jin-Ki Kanno wider – ein japanisches Konzept, das die „verführerische Begeisterung beschreibt, die entsteht, wenn Mensch und Maschine zu einer Einheit verschmelzen“. Diese Philosophie durchzieht seit Jahrzehnten die DNA von Yamaha Motor und findet im MOTOROiD Lambda ihren futuristischsten Ausdruck.​

Technologie, die atmet: Das Herzstück des Lambda

AMCES – Aktive Schwerpunktkontrolle

Das technologische Rückgrat aller MOTOROiD-Konzepte bildet AMCES (Active Mass Center Control System), Yamahas proprietäres Selbstbalancierungssystem. Im Gegensatz zu herkömmlichen Motorrädern, die ihre Stabilität aus der Bewegung beziehen, kann das Lambda vollkommen selbstständig aufrecht stehen – auch ohne Fahrer.​

Das System funktioniert durch aktive Steuerung des Schwerpunkts. Die Batterie – das schwerste Bauteil des Motorrads – ist beweglich gelagert und dient als Gegengewicht. Wenn das Lambda kippt, verschiebt sich die Batterie nach rechts oder links, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Diese Bewegungen wirken organisch, fast lebendig, als würde ein Tier instinktiv sein Gleichgewicht halten.​

Reinforcement Learning und Sim2Real: KI lernt Motorradfahren

Der revolutionäre Durchbruch des Lambda liegt in seiner Lernfähigkeit. Das Motorrad nutzt Reinforcement Learning – eine Form der künstlichen Intelligenz, bei der ein System durch Trial-and-Error lernt und sich kontinuierlich verbessert.​

Zunächst trainiert das Lambda in virtuellen Umgebungen. Dort kann es Tausende von Szenarien durchspielen – Kurvenfahrten, Notbremsungen, unebene Straßen – ohne Risiko für Mensch oder Maschine. Diese Sim2Real-Technik (Simulation-to-Reality) ist besonders effizient: Was das Motorrad virtuell lernt, wird dann in die physische Welt übertragen.​

Die KI analysiert ständig die Position des Fahrzeugs, den Neigungswinkel und externe Bedingungen wie Bodenbeschaffenheit. Basierend auf diesen Eingaben nimmt die KI Echtzeit-Anpassungen vor – sie korrigiert automatisch die Balance, wenn das Motorrad zu kippen droht oder unebenen Untergrund trifft. Über die Zeit wird das System immer effizienter im Umgang mit verschiedenen Bewegungsarten.​

Das lernende Motorrad: Anpassung an den Fahrer

Noch beeindruckender ist die Fähigkeit des Lambda, vom Fahrstil seines Besitzers zu lernen. Die KI analysiert Brems-, Kurven- und Beschleunigungsgewohnheiten. Mit der Zeit kann das Motorrad eigenständige Entscheidungen treffen: Wie schnell es fährt, wie stark es beim Bremsen in Kurven reagiert und ob es sich während des Kurvenfahrens selbst ausbalancieren sollte – alles ohne Eingriff des Fahrers.​

Diese adaptive Intelligenz verwandelt das Lambda von einem Objekt in einen Partner. Es ist nicht mehr nur ein Werkzeug, das Befehle befolgt, sondern ein System, das mitdenkt, vorausahnt und unterstützt.​
Das Design des MOTOROiD Lambda ist radikal anders als alles, was wir von Motorrädern gewohnt sind. Der offene, bogenförmige Rahmen verbindet die vorderen und hinteren Teile des Fahrzeugs und erlaubt es der hinteren Hälfte, sich seitlich zu drehen – sogar um bis zu 180 Grad.​

Die Struktur basiert auf einem Exoskelett-Konzept, inspiriert von der Natur. Ähnlich wie das Außenskelett eines Skorpions oder Insekts kombiniert es Leichtbauweise mit struktureller Stärke. Das Exoskelett ist so konstruiert, dass es die Belastungen des Lernprozesses aushält – Stürze, Stöße und wiederholte Bewegungen während der Trial-and-Error-Phase.​

Die exponierte Bauweise macht die mechanischen Komponenten sichtbar. Sensoren, Steuereinheiten und das Antriebssystem sind als Teil der Ästhetik integriert. Das Ergebnis sieht aus wie ein mechanisches Skelett – organisch und technologisch zugleich.​

Adaptive Beweglichkeit

Die Fähigkeit des Lambda, seine hintere Hälfte zu drehen, ist nicht nur ein visueller Effekt. Diese Bewegung ermöglicht es dem Motorrad, seine Balance dynamisch anzupassen. Wenn das Lambda umfällt, kann es sich mit Hilfe von Bewegungsarmen und der AI-gesteuerten Mechanik selbstständig wieder aufrichten – eine beeindruckende Demonstration fortschrittlicher Robotik.​

Die Hub-Motoren sind direkt in die Radnaben integriert und kombinieren Motor- und Bremssysteme in einer kompakten Einheit. Diese Anordnung verbessert die Balance und ermöglicht direkte Kontrolle. Das elektrische Antriebssystem liefert sofortiges Drehmoment – charakteristisch für E-Motorräder – und trägt zur Agilität des Fahrzeugs bei.​

Die Philosophie dahinter: Jin-Ki Kanno und Jin-Ki Anzen

Für Yamaha geht es beim MOTOROiD Lambda um mehr als Technologie. Es geht um eine grundlegende Neudefinition der Beziehung zwischen Mensch und Maschine.​

Jin-Ki Kanno beschreibt die „verführerische Begeisterung, die entsteht, wenn Mensch und Maschine zu einer Einheit werden“. Diese Philosophie durchzieht die gesamte Yamaha-Entwicklung seit Jahrzehnten. Technologie soll nicht nur funktional sein, sondern auch emotional – sie soll Freude, Verbindung und Kando (tiefe Zufriedenheit und intensive Aufregung) erzeugen.​

Parallel dazu steht Jin-Ki Anzen – die Überzeugung, dass Sicherheit durch komplementäre Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine entsteht. Das Lambda soll den Fahrer nicht ersetzen, sondern unterstützen. Es interveniert nur, wenn nötig, bleibt aber im Hintergrund, sodass der Fahrer die Kontrolle und das analoge Fahrerlebnis behält.​

Diese Balance zwischen Autonomie und Unterstützung ist entscheidend. Das Lambda bietet Sicherheitssysteme und intelligente Assistenz, ohne dem Fahrer das Gefühl von Freiheit und Kontrolle zu nehmen.​

Künstliche Intelligenz und Autonome Motorräder: Ein Paradigmenwechsel

Die Herausforderung der Zweirädrigen Autonomie

Während autonome Autos bereits auf den Straßen von San Francisco und Wuhan unterwegs sind, stellen Motorräder eine deutlich größere Herausforderung dar. Zweiräder müssen nicht nur die Umgebung wahrnehmen und Entscheidungen treffen, sondern auch komplexe physikalische Dynamiken beherrschen – Neigungswinkel, Schwerpunktverschiebung, Gegenlenken und Kurvenverhalten.​

Ein Auto bleibt stehen, wenn es anhält. Ein Motorrad fällt um. Diese fundamentale Differenz macht die Entwicklung autonomer oder selbstbalancierender Motorräder technisch anspruchsvoll.​​

Yamaha ist nicht der einzige Hersteller, der in diese Richtung forscht. BMW präsentierte 2016 das Motorrad Vision Next 100, ein selbstbalancierendes Konzept mit Smart Visor und intelligenten Assistenzsystemen. Honda stellte auf der CES 2017 die Riding Assist-Technologie vor – ein selbstbalancierendes System, das auf Robotik basiert und minimale Lenkeingriffe nutzt, um Fahrer und Motorrad perfekt ausbalanciert zu halten.​​

  • Sensoren, Kameras und Maschinelles Sehen
  • Moderne autonome Motorräder nutzen eine Kombination aus Radar, Lidar, Kameras, GPS und Inertialsensoren (IMU), um ihre Umgebung wahrzunehmen. Diese Sensoren erfassen:​
  • Neigungswinkel und Drehbewegungen (Gyroskop)
  • Beschleunigung in verschiedene Richtungen (Beschleunigungssensor)
  • Position und Geschwindigkeit (GPS und Geschwindigkeitssensoren)
  • Umgebungsinformationen (Kameras und Radar)

Die gesammelten Daten werden über Deep Learning Algorithmen wie Convolutional Neural Networks (CNN) und Recurrent Neural Networks (RNN) verarbeitet. Diese KI-Systeme können Objekte erkennen, Bewegungen vorhersagen und in Millisekunden Entscheidungen treffen.​

Beim Lambda erfolgt die Datenerfassung mehr als 2.000 Mal pro Sekunde – das IMU sendet Informationen an die Steuereinheit schneller als 0,0005 Sekunden. Diese hohe Frequenz ermöglicht präzise Echtzeit-Korrekturen.​

Der globale Kontext: Motorrad-Industrie im Wandel

Elektrifizierung beschleunigt sich, der globale Markt für Elektromotorräder wächst rasant. Laut Marktanalysen wird der Markt von 9,09 Milliarden USD im Jahr 2024 auf 30,2 Milliarden USD bis 2035 wachsen – ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 11,53%.​

Mehrere Faktoren treiben diese Entwicklung:

  • Umweltauflagen: Europa führt strengere Euro 5+ Standards ein. Städte schaffen emissionsfreie Zonen.​
  • Regierungsanreize: Indien mit FAME II, Europa mit Kaufprämien und Steuervorteilen.​
  • Technologischer Fortschritt: Verbesserte Batterien mit höherer Reichweite, schnelleren Ladezeiten und niedrigeren Kosten.​
  • Verändertes Verbraucherverhalten: Wachsendes Umweltbewusstsein und Interesse an nachhaltiger Mobilität.​

In der ersten Hälfte 2025 wurden weltweit 4,4 Millionen elektrische Zweiräder verkauft – ein Anstieg von 7,2% gegenüber dem Vorjahr. Bis 2030 werden die globalen Verkäufe voraussichtlich 5,9 Millionen Einheiten überschreiten.​

Batterie-Revolution: Der Schlüssel zur Reichweite

Die Entwicklung fortschrittlicher Batterietechnologien ist entscheidend für die Zukunft elektrischer Motorräder. Aktuelle Innovationen umfassen:

Silizium-Anoden: Diese können die Energiedichte gegenüber herkömmlichen Graphit-Anoden um das Zehnfache erhöhen. Unternehmen wie Tesla, Sila Nanotechnologies und Rivian arbeiten an der Kommerzialisierung.​

Solid-State-Batterien: Durch den Ersatz flüssiger Elektrolyte durch feste Materialien versprechen diese Batterien höhere Energiedichte, schnelleres Laden und deutlich mehr Sicherheit. Toyota plant, ab 2026 mit der Produktion zu beginnen und bis 2030 die Massenproduktion zu starten.​

Verbesserte Lithium-Ionen-Zellen: Teslas neue 4680-Zelldesign zielt auf eine 16% höhere Energiedichte ab. Diese Fortschritte bedeuten längere Reichweiten und bessere Leistung.​

Die Kombination dieser Technologien könnte Elektromotorräder mit Reichweiten von über 300 Meilen (480 km) und Ladezeiten unter 30 Minuten ermöglichen – Werte, die mit benzinbetriebenen Fahrzeugen konkurrieren können.

Sicherheit durch Technologie: ARAS für Motorräder

Advanced Rider Assistance Systems
Während autonome Funktionen faszinieren, liegt der unmittelbarste Nutzen von KI und Sensortechnologie in Fahrerassistenzsystemen (ARAS – Advanced Rider Assistance Systems).​

Moderne ARAS-Funktionen für Motorräder umfassen:

  • Adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC): Hält automatisch einen sicheren Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug und berücksichtigt dabei den Neigungswinkel des Motorrads.​
  • Kollisionswarnung: Sensoren erkennen potenzielle Zusammenstöße und warnen den Fahrer akustisch oder visuell.​
  • Totwinkel-Erkennung: Kameras und Radar überwachen den toten Winkel und warnen vor Fahrzeugen, die sich seitlich nähern.​
  • Automatische Notbremsung (AEB): Erkennt drohende Kollisionen und leitet automatisch eine Bremsung ein, falls der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert.​
  • Spurhalteassistent: Warnt bei unbeabsichtigtem Verlassen der Fahrspur.​
  • Studien zeigen, dass diese Systeme das Unfallrisiko um bis zu 30% reduzieren können. Hersteller wie Bosch, Continental und spezialisierte Firmen wie Ride Vision entwickeln maßgeschneiderte Lösungen für Motorräder.​
  • Human-Machine Interface: Intuitive Kommunikation
    Die Schnittstelle zwischen Fahrer und Maschine (HMI) wird immer wichtiger. Moderne Motorrad-HMIs umfassen:​
  • Head-Up Displays (HUD): Projizieren wichtige Informationen in das Sichtfeld des Fahrers, ohne dass dieser den Blick von der Straße nehmen muss.​
  • Sprachsteuerung: Erlaubt die Bedienung von Funktionen per Sprachbefehl.​
  • Haptisches Feedback: Das Lambda nutzt haptische Berührungspunkte, die den Fahrer am unteren Rücken umschließen und ein Gefühl der Verbundenheit erzeugen.​
  • Smart Helmets: Integrieren Bluetooth, Navigation und Notfallfunktionen direkt in den Helm.​

Die Herausforderung besteht darin, Informationen bereitzustellen, ohne den Fahrer abzulenken. Studien zeigen, dass Alert-basierte HMI (die nur bei Bedarf Warnungen anzeigen) effektiver und weniger belastend sind als kontinuierliches Feedback.​

Die Zukunft ist jetzt – aber noch nicht für alle

Konzept vs. Produktion
Das MOTOROiD Lambda ist derzeit ein Konzeptfahrzeug. Yamaha hat weder Preis, Leistungsdaten noch ein kommerzielles Veröffentlichungsdatum bekannt gegeben. Es wird vom 29. Oktober bis 9. November 2025 auf der Japan Mobility Show in Tokyo Big Sight ausgestellt.​

Während das Lambda selbst möglicherweise nie in Serie geht, dienen die entwickelten Technologien als Forschungsplattform. Yamaha deutet an, dass die KI-Balancierungssysteme und selbstaufrichtenden Mechanismen in zukünftigen Produktionsmodellen auftauchen könnten.​

Parallele Entwicklungen bei Yamaha

Neben dem Lambda präsentiert Yamaha auf der Japan Mobility Show 2025 weitere zukunftsweisende Konzepte:​

  • TRICERA proto: Ein dreirädriges elektrisches Autocycle mit Allradlenkung (3WS-System).
  • PROTO BEV: Ein rein elektrisches Supersport-Motorrad mit Hochkapazitätsbatteriesystem.
  • PROTO HEV und PROTO PHEV: Hybrid-Konzepte, die Elektro- und Verbrennungsantrieb kombinieren.
  • H2 Buddy Porter: Ein wasserstoffbetriebener Roller, entwickelt in Zusammenarbeit mit Toyota.
  • Y-00B Base/Bricolage: Modulare E-Bikes, die kreative Anpassungen ermöglichen.

Diese Vielfalt zeigt Yamahas Multi-Strategie-Ansatz für die Zukunft der Mobilität – elektrisch, hybrid, wasserstoffbetrieben und intelligent.

Herausforderungen und Kritik – Technische Grenzen

  • Trotz beeindruckender Fortschritte bleiben Herausforderungen:
  • Sim2Real-Gap: Die Übertragung von virtuellem Training in die reale Welt ist nicht perfekt. Unterschiede in Physik-Simulationen, Sensorgenauigkeit und Umweltbedingungen können zu Leistungsunterschieden führen.​
  • Komplexität der Motorrad-Dynamik: Die Physik des Motorradfahrens ist extrem komplex – Gegenlenken, Schwerpunktverschiebung, Reifenhaftung bei Schräglage. Diese Faktoren vollständig zu beherrschen, ist eine enorme Herausforderung.​
  • Energieverbrauch: Selbstbalancierende Systeme mit Gyroskopen oder beweglichen Massen verbrauchen Energie, was die Reichweite von Elektromotorrädern begrenzen kann.​​
  • Kosten: Fortschrittliche KI-Systeme, hochwertige Sensoren und exotische Materialien wie das leichte Exoskelett sind teuer. Die Kommerzialisierung erfordert drastische Kostensenkungen.​
  • Philosophische Fragen
    Die Entwicklung intelligenter, autonomer Motorräder wirft auch grundsätzliche Fragen auf:​
  • Wenn eine Maschine die Absichten des Fahrers erkennt und vorausahnt, wo verläuft die Grenze zwischen Unterstützung und Übernahme?
  • Wenn das Motorrad selbstständig Entscheidungen trifft, wie viel Kontrolle behält der Fahrer wirklich?
  • Ist ein Motorrad, das nicht fallen kann und automatisch bremst, noch ein authentisches Fahrerlebnis?

Yamaha betont, dass das Ziel nicht ist, den Fahrer zu ersetzen, sondern die Jin-Ki Kanno-Erfahrung zu maximieren – die Verbindung zwischen Mensch und Maschine zu vertiefen, nicht zu trennen.​

Blickt man auf die nächsten zehn Jahre, zeichnen sich mehrere Trends ab:​

  • Elektrifizierung: Bis 2030 wird der Anteil elektrischer Motorräder in Europa voraussichtlich 30% erreichen. In Indien und ASEAN-Ländern wird das Wachstum noch schneller sein.​
  • Strengere Emissionsvorschriften: Euro 5+ Standards werden zur Norm. Einige Städte könnten Verbrennungsmotoren in Innenstädten komplett verbieten.​
  • Hybridlösungen: Besonders für größere Multifunktions-Motorräder könnten Hybrid-Systeme eine Brücke zwischen Verbrennung und reinem Elektroantrieb bilden.​
  • Smarte Vernetzung: Vehicle-to-Vehicle (V2V) und Vehicle-to-Infrastructure (V2I) Kommunikation wird Standard werden.​
  • KI-Integration: Fahrerassistenzsysteme werden obligatorisch, ähnlich wie ABS und Traktionskontrolle heute.​
  • Menschliche Faktoren
    Die Akzeptanz autonomer oder hochautomatisierter Motorräder hängt nicht nur von der Technologie ab, sondern auch vom menschlichen Faktor:​
  • Vertrauen: Fahrer müssen der Technologie vertrauen, besonders in kritischen Situationen.
  • Regulierung: Gesetzgeber müssen Rahmenbedingungen für autonome Zweiräder schaffen.
  • Versicherung: Versicherungsmodelle müssen angepasst werden, wenn Maschinen Entscheidungen treffen.
  • Kultur: Motorradfahren ist für viele mehr als Transport – es ist Leidenschaft, Freiheit, Identität. Technologie muss diese Werte respektieren.

Yamaha steht nicht allein in dieser Zukunftsvision. Die gesamte Motorradindustrie befindet sich im Umbruch:​

  • Zero Motorcycles: Pionier im Bereich Elektromotorräder mit Modellen wie der SR/F, die Reichweiten von über 200 Meilen bietet.​
  • Harley-Davidson LiveWire: Harleys elektrischer Vorstoß zeigt, dass auch traditionelle Marken die Zukunft annehmen.​
  • Energica: Italienische Hochleistungs-Elektromotorräder, die als offizielle Bikes der FIM Enel MotoE Weltmeisterschaft dienen.​
  • Ducati: Nach dem Einstieg in die elektrische MotoE-Meisterschaft entwickelt Ducati eigene E-Plattformen.​
  • BMW Motorrad: Arbeitet an vernetzten, elektrischen Konzepten mit autonomen Funktionen.​
  • Verge Motorcycles: Entwickelt das Starmatter HMI-System mit Unreal Engine – eine der fortschrittlichsten Schnittstellen der Branche.​

Diese Vielfalt zeigt: Die Zukunft des Motorradfahrens wird pluralistisch sein – elektrisch und hybrid, autonom und manuell, vernetzt und eigenständig. Jeder Ansatz spricht unterschiedliche Fahrer und Anwendungen an.

Nachhaltigkeit und Verantwortung

Die Motorradindustrie muss auch ihre ökologische Verantwortung wahrnehmen:​

  • Reduktion von Emissionen: Transport ist für etwa 25% der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich. Elektromotorräder produzieren null direkte Emissionen.​
  • Ressourceneffizienz: Leichte Konstruktionen wie das Lambda-Exoskelett verwenden weniger Material und verbessern die Energieeffizienz.​
  • Recycling: Batterien und elektronische Komponenten müssen recycelbar sein. Kreislaufwirtschaft wird zentral.​
  • Ethische Beschaffung: Lithium, Kobalt und andere Batterierohstoffe müssen verantwortungsvoll gewonnen werden.​

Yamaha und andere Hersteller investieren in nachhaltige Produktionsmethoden, einschließlich KI-gesteuerter Qualitätskontrolle und 3D-Druck, um Abfall zu reduzieren.​

Fazit: Die Zukunft fährt schon

Das Yamaha MOTOROiD Lambda ist weit mehr als ein futuristisches Konzept. Es ist eine Manifestation einer Vision, in der Motorräder zu intelligenten, empathischen Partnern werden. Ein Motorrad, das lernt, sich anpasst, aufrichtet und mit seinem Fahrer kommuniziert, stellt unsere grundlegenden Annahmen über Mobilität infrage.

Die zugrundeliegenden Technologien – Reinforcement Learning, Sim2Real-Training, AMCES-Balancierung, exoskelettbasiertes Design – sind nicht nur theoretische Gedankenspiele. Sie werden bereits entwickelt, getestet und verfeinert. In den kommenden Jahren werden wir Elemente dieser Technologien in Produktionsmotorrädern sehen.

Die Jin-Ki Kanno-Philosophie – die Suche nach der perfekten Einheit zwischen Mensch und Maschine – bleibt der Kompass. Technologie soll nicht den Fahrer ersetzen, sondern das Fahrerlebnis vertiefen, sicherer machen und bereichern.

Die Straße in die Zukunft wird kurvenreich sein. Es gibt technische Herausforderungen zu bewältigen, ethische Fragen zu klären und kulturelle Widerstände zu überwinden. Aber eines ist sicher: Die Zukunft des Fahrens wird nicht nur geschrieben – sie wird bereits gefahren.

Mit dem MOTOROiD Lambda zeigt uns Yamaha einen faszinierenden Blick auf diese Zukunft. Es ist eine Zukunft, in der Motorräder nicht nur Maschinen sind, sondern Partner, Begleiter und vielleicht sogar Freunde. Eine Zukunft, in der die Grenze zwischen Fahrer und Fahrzeug, zwischen analog und digital, zwischen Mensch und Maschine nicht verschwindet, sondern zu etwas Neuem, Größerem verschmilzt.

Die Revolution hat bereits begonnen. Und sie fährt auf zwei Rädern.

Das MOTOROiD:Λ-Konzept wird vom 29. Oktober bis 9. November 2025 auf der Japan Mobility Show in Tokyo Big Sight ausgestellt. Während Yamaha noch keine Produktionspläne angekündigt hat, zeigt das Projekt die Richtung, in die sich die Motorradindustrie bewegt – eine Zukunft, die intelligenter, sicherer und aufregender ist als alles, was wir bisher kannten

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