Michael Saylor dreht den Bitcoin-Maximalismus auf eine neue Stufe: Bei der Bitcoin-MENA-Konferenz erklärte der Chairman von Strategy, seine Firma wolle „alle verfügbaren Bitcoin“ aufkaufen und damit einen Großteil des Angebots faktisch dem freien Umlauf entziehen. Dahinter steckt nicht nur Ideologie, sondern ein strategischer Plan, Bitcoin als überbesichertes Fundament für neue Kreditprodukte zu etablieren.
Saylors Plan: Bitcoin aus dem Markt ziehen
Saylor betont, dass Strategy bereits rund 660.624 BTC mit einem Marktwert von etwa 66 Milliarden US-Dollar hält und wöchentlich im Schnitt weitere 500 Millionen US-Dollar in Bitcoin investiert. Sein Ziel sei es, so viel der verfügbaren Coins wie möglich zu akkumulieren und damit ein knappes Asset noch knapper zu machen, um die „Feder“ langfristig nach oben zu spannen.
Mit dieser Strategie positioniert sich Strategy endgültig als quasi „Bitcoin-Zentralbank“ der Corporate-Welt. Je größer der Anteil der frei handelbaren Coins in langfristigen Tresoren verschwindet, desto sensibler reagieren Angebot und Nachfrage – mit potenziell extremen Ausschlägen in beide Richtungen.
Bitcoin als Super-Sicherheit für Kredite
Spannend ist vor allem der zweite Teil seiner Vision: Strategy will große, globale Bitcoin-Reserven als Basis für ein System der Überbesicherung nutzen. Geplant ist, dass BTC als mehrfach überbesichertes Collateral dient – im Bereich des Fünf- bis Zehnfachen des Kreditvolumens –, sodass selbst ein 90-prozentiger Kurseinbruch die Rückzahlungspflicht der Kreditnehmer noch abdeckt.
Schon heute bietet das Unternehmen eine Palette an Finanzprodukten:
- STRK-Aktien mit rund 8% Dividendenrendite,
- „Ewige“ STRF-Anleihen mit etwa 10% Rendite,
- bevorzugte Aktien mit 12,5% jährlich,
- sowie kurzlaufende STRC-Kredite, die wie nahezu risikofreie Papiere mit höherer Verzinsung als klassische Bankeinlagen vermarktet werden.
Saylor verspricht, aus „volatilen digitalen Assets stabil verzinste digitale Kredite“ zu formen – mit Zielrenditen von 10% „für immer“.
Wall-Street-Banken werden aufmerksam
Besonders bemerkenswert: Laut Saylor haben mehrere große US-Banken – darunter JP Morgan, Citi, Charles Schwab, Wells Fargo und Bank of America – bereits begonnen, Kreditlinien gegen Bitcoin als Sicherheit zu strukturieren und sich dazu Beratung von Strategy zu holen. Das deutet darauf hin, dass BTC als Besicherungs-Asset schrittweise im traditionellen Finanzsystem ankommt, zumindest in Pilot- oder Nischenstrukturen.
Für Bitcoin-Maximalisten ist das der Traum einer „Bitcoinisierten“ Kreditwelt: BTC als globales, hartes Collateral, Banken als Dienstleister obendrauf, und die Hodler als Gewinner eines langfristigen Angebots-Schocks. Für Kritiker entsteht dagegen ein System, in dem sich enorme Klumpenrisiken auf wenige große Akteure konzentrieren.
Risiko: Bitcoin-Romantik trifft Hardcore-Volatilität
Nicht alle Marktbeobachter teilen Saylors grenzenlosen Optimismus. Jonathan Dane, Mitgründer von Defiant Capital, warnte bereits zuvor, dass ein überromantisiertes Bild von Bitcoin vor allem unerfahrene Anleger in gefährliche Situationen führen kann. BTC bleibe ein hochvolatiler, spekulativer Vermögenswert, dessen Preisverläufe auch in Zukunft tiefe Drawdowns möglich machen.
Gerade Modelle, die von ewig stabilen zweistelligen Renditen ausgehen, basieren am Ende auf der Annahme, dass die Kombination aus Überbesicherung, Marktnachfrage und Liquidität dauerhaft funktioniert. Gerät eines dieser Elemente ins Wanken – etwa durch Regulierung, einen massiven Bärenmarkt oder Vertrauensverlust – können selbst „überbesicherte“ Strukturen unter Stress kommen.
Was das für Anleger bedeutet
Für Privatanleger sendet Saylors Offensive zwei Botschaften: Einerseits unterstreicht der massive Akkumulationskurs die institutionelle Langfrist-Story von Bitcoin als digitales Reservesystem. Andererseits mahnen Experten, nicht blind dem Narrativ „nur nach oben“ zu folgen, sondern Risiko, Volatilität und Konzentration auf einen einzigen Asset-Typ nüchtern einzuplanen.
Ob BTC tatsächlich „komplett aus dem Umlauf gezogen“ werden kann, bleibt fraglich: Viele Coins sind unwiederbringlich verloren, andere sitzen langfristig bei hodlenden Privatanlegern, und ein Teil wird immer im Handel zirkulieren. Sicher ist nur: Je mehr große Player wie Strategy langfristig akkumulieren, desto knapper und nervöser könnte der Markt in künftigen Zyklen reagieren.