In Deutschland entzündet sich die Debatte um doppelte Staatsbürgerschaft zunehmend an der Frage politischer Loyalität – insbesondere mit Blick auf Menschen, die neben dem deutschen auch einen russischen Pass besitzen. Konservative Politiker und einige Staatsrechtler sehen darin ein mögliches Sicherheitsrisiko, während linke und progressive Stimmen vor pauschalen Verdächtigungen und verfassungsrechtlich bedenklichen Schlüssen warnen.
Loyalität, Sicherheit und Wehrpflicht
Auslöser der aktuellen Zuspitzung ist die Diskussion über eine mögliche Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland und die Frage, wie mit den knapp 3700 Männern mit deutsch-russischer Doppelstaatsbürgerschaft im potenziellen Kreis der Wehrpflichtigen umzugehen wäre. Kritiker der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von 2024 sehen darin einen Widerspruch zur von Kanzler Olaf Scholz ausgerufenen „Zeitenwende“ und fordern eine Rückkehr zum Prinzip „ein Mensch – ein Pass“.
Konservative verweisen dabei auch auf eine US-Initiative, die ein faktisches Ende der doppelten Staatsbürgerschaft vorsieht und die sie als Vorbild für strengere Regeln in Deutschland betrachten. Zur Begründung nennen sie die Gefahr von Loyalitätskonflikten in Kriegs- und Krisensituationen, in denen unklar sein könne, welchem Staat sich Doppelstaatler im Zweifel verpflichtet fühlen.
Doppelpass als Ausdruck realer Lebenswirklichkeit
Dem gegenüber betonen Vertreterinnen der Linken und anderer progressiver Kräfte, dass die doppelte Staatsbürgerschaft in erster Linie die Realität transnationaler Biografien abbildet und Zugehörigkeit eher stärkt als schwächt. Sie warnen davor, Menschen mit Migrationsgeschichte zu Bürgern „zweiter Klasse“ zu erklären, indem ihre Loyalität pauschal infrage gestellt wird.
Zudem verweisen Kritiker der Verschärfungspläne darauf, dass Staatsangehörigkeit kein verlässlicher Indikator politischer Überzeugungen ist und eine Gleichsetzung des Passes mit Zustimmung zu einem Regime verfassungsrechtlich heikel wäre. Gerade in autoritären Systemen wie Russland könne von einer freien politischen Willensbildung nur eingeschränkt die Rede sein, sodass aus der Staatsbürgerschaft keine belastbare Aussage über die Haltung zum Kreml abgeleitet werden könne.
Zwischen Grundgesetz und politischer Symbolik
Juristen erinnern daran, dass das deutsche Grundgesetz sehr enge Grenzen für den Entzug der Staatsangehörigkeit zieht und kollektive Zuschreibungen – etwa eine pauschale Mitverantwortung aller Russinnen und Russen für Kriegsverbrechen – rechtlich wie politisch problematisch sind. Während einige Staatsrechtler die Frage stellen, wie sich Loyalität zu einer Demokratie mit einem zweiten Pass aus einem kriegführenden, autoritären Staat vereinbaren lässt, mahnen andere, gerade hier müsse das Individualprinzip gelten und nicht die Logik der Sippenhaft.
Insgesamt zeigt die Debatte, wie stark Fragen von Migration, Sicherheitspolitik und Verfassungsrecht inzwischen miteinander verflochten sind – und wie schnell rechtstechnische Detailfragen des Staatsangehörigkeitsrechts zu symbolischen Stellvertreterkonflikten über Zugehörigkeit und Vertrauen werden.