13. November 2025

Deutscher Stahl im Sturm: Industriekrise, Billigimporte und der „Stahlgipfel“ von Kanzler Merz

Die Branche am Scheideweg

Die deutsche Stahlindustrie, ein Grundpfeiler der heimischen Volkswirtschaft und Arbeitgeber für mehr als eine halbe Million Menschen, steckt in einer tiefen Krise. Steigende Energiepreise, sinkende Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Importen – besonders aus China – und drohende Milliardenverluste zwangen Bundeskanzler Friedrich Merz, Vertreter von Industrie, Gewerkschaften und Politik zu einem „Stahlgipfel“ in das Bundeskanzleramt einzuladen.


Die Ausgangslage: Strukturkrise und globale Wettbewerbsherausforderungen

  • Starke Abhängigkeit: Rund 605.000 Arbeitsplätze hängen von der deutschen Stahlerzeugung direkt oder indirekt ab.
  • Explosion der Energiepreise: Die Herstellung von Stahl ist energieintensiv, hohe Kosten machen die deutsche Produktion teuer und weniger attraktiv.
  • Wettbewerb durch Billigstimporte: China baut seine Stahlkapazitäten mit massiven Subventionen aus und exportiert günstig in alle Welt.
  • Politische Unsicherheiten: Die USA greifen zu extrem hohen Strafzöllen (teils 500% auf europäischen Stahl), auch die EU setzt auf Einfuhrbeschränkungen, kann dem aber nicht ausreichend entgegensetzen.

Folgen: Gefahr für Wohlstand, Arbeitsplätze und Industriestandort

Studien zeigen: Sollte die Branche ins Ausland abwandern, drohen Wertschöpfungsverluste von bis zu 50 Milliarden Euro jährlich. Mindestens 30.000 Arbeitsplätze stünden kurzfristig auf dem Spiel, der Dominoeffekt für Maschinenbau, Automobilindustrie und Zulieferer erheblich. Ohne eine jährliche Produktion von mehr als 40 Millionen Tonnen Stahl in Deutschland warnen Forscher vor einer dauerhaften Abhängigkeit von teuer importiertem Stahl und einer Schwächung der gesamten Industrie.


Reaktionen und bisherige Maßnahmen

  • Stahlgipfel: Bundeskanzler Merz lud Industrie, Verbände und Gewerkschaften, um Lösungen zu beraten.
  • Strompreis-Debatte: IG Metall fordert eine Industriestrompreisbremse (5 Cent pro kWh ab 2026), um die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zu halten. Noch ist unklar, in welcher Höhe der Preis tatsächlich politisch gedeckelt wird.
  • EU-Schutzzölle: Brüssel will bestehende Stahlzölle verlängern und sogar erhöhen, etwa durch eine 50-prozentige Erhebung für bestimmte Stähle.
  • Nachhaltigkeit und Investitionen: Experten fordern größere Investitionen in „grüne“ Stahltechnologien. Der Absatz von klimafreundlicher Stahlproduktion bleibt unterfinanziert: Auf ein erwartetes Marktbedürfnis von 20 Mio. Tonnen im Jahr kommen aktuell erst 8 Mio. Tonnen geplante Kapazitäten.

Das globale Umfeld: Verlagerung von Produktion, Machtverschiebung

  • China dominiert: Mit fast drei Vierteln der Welt-Stahlproduktion bleibt Asien, vor allem China, auf dem Vormarsch.
  • Europäische Antwort: Die EU produziert nur noch etwa 130 Mio. (2024) statt 170 Mio. Tonnen Stahl (2010); die Nachfrage sinkt, der Produktionsrückgang bedroht die Industriebasis.
  • Thyssenkrupp und Arbeitsplatzabbau: Deutschlands größter Stahlproduzent rechnet mit einem Stellenabbau von bis zu 11.000 Jobs bis 2025.

Ausblick: Was die Branche jetzt braucht

Vertreter der deutschen Industrie, Gewerkschaften und Forscher sind sich einig:

  • Planbare und günstige Energiepreise sind das zentrale Überlebenskriterium.
  • Stärkere Investitionen in klimafreundliche Stahlwerke sind überlebensnotwendig.
  • Verlässliche politische Flankierung durch Zollmaßnahmen und Industriepolitik wird für den Erhalt des Industriestandorts unabdingbar.

Jürgen Kerner, zweiter Vorsitzender von IG Metall, betont: „Ein Ende der Stahlproduktion in Deutschland wäre ein schwerer Schlag für Wirtschaft, Gesellschaft und politische Stabilität. Die Regierung muss alles tun, um den Stahlstandort zu sichern.“

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