Die Blase ist geplatzt: Warum KI‑Token 2025 massiv unter Druck stehen

Vom Hype-Sektor zum Problemkind

Innerhalb nur eines Jahres hat sich der einst heißeste Sektor des Kryptomarktes in eines seiner größten Sorgenkinder verwandelt: KI‑Tokens. Was noch Ende 2024 als Zukunftsversprechen mit fast 70 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung gefeiert wurde, ist 2025 zu einem Beispiel dafür geworden, wie brutal Narrative im Kryptospace drehen können.

Daten von Analysehäusern und Kursplattformen zeigen, dass KI‑bezogene Token rund drei Viertel ihres Wertes eingebüßt haben – ein Rückgang um etwa 50 Milliarden Dollar und mehr. Viele Top‑Projekte des Segments liegen 70 bis 80 Prozent unter ihren Höchstständen, obwohl KI als Technologie kaum an Dynamik verloren hat.

Von Rekordständen zum Ausverkauf

Der Höhepunkt des KI‑Narrativs

Der große Peak im KI‑Token‑Segment fiel auf das vierte Quartal 2024. In dieser Phase trieben Hype um Sprachmodelle, Bilderzeuger und autonome Agenten die Kurse vieler Projekte in kurze, fast parabolische Anstiege, bis die kombinierte Marktkapitalisierung der KI‑Coins knapp 70 Milliarden Dollar erreichte.

Parallel floss enorm viel Risikokapital in KI‑Start-ups, Tech‑Aktien markierten Rekorde, und zahlreiche neue Token versprachen, „das Missing Link zwischen Blockchain und AI“ zu sein. Die Erzählung war klar: Wer jetzt nicht in KI‑Krypto investiert, verpasst das nächste große Ding.

Der schleichende Stimmungsumschwung 2025

Schon im ersten Quartal 2025 begann sich das Bild zu drehen. Während Bitcoin und große Layer‑1‑Projekte vergleichsweise stabil blieben oder moderat korrigierten, rutschten viele KI‑Tokens deutlich schneller und tiefer ab.

  • Ein Teil der Gewinne aus 2023/2024 wurde systematisch mitgenommen.
  • Liquide Fonds schichteten zurück in „Blue Chips“ wie BTC und ETH.
  • Erste Enttäuschungen bei Produktreleases und Partnerankündigungen bremsten die Fantasie.

Bis Jahresende war aus einer gesunden Konsolidierung ein echter Sektor‑Ausverkauf geworden.

Zahlen, die wehtun: –75% in einem Jahr

Marktkapitalisierung: Vom Höhenflug zum Tiefflug

Unabhängige Auswertungen zeichnen ein ähnliches Bild:

  • Vom historischen Hoch um rund 69,9 Milliarden US‑Dollar Ende 2024 schrumpfte der KI‑Token‑Sektor auf teils unter 20–25 Milliarden im Verlauf von 2025.
  • In Summe lösten sich damit etwa 50 bis 55 Milliarden Dollar an Bewertung in Luft auf – je nach Datenquelle.

Dieser Rückgang entspricht etwa 70 bis 75 Prozent Verlust auf Sektorebene – und damit mehr als einer „normalen“ Baisse, zumal er nach einer beispiellosen Rallye erfolgte.

Top‑Projekte im Stresstest

Besonders hart traf es die Schwergewichte des Segments. Berichte nennen:

  • Artificial Superintelligence Alliance (ASI) mit einem Rückgang von etwa 84 Prozent vom Peak.
  • Render (RNDR) und The Graph (GRT) mit Einbrüchen von rund 82 Prozent.
  • Virtuals Protocol (VIRTUAL), das im Vorjahr zeitweise um mehrere Tausend Prozent gestiegen war, verlor anschließend über 70 Prozent in zwölf Monaten.
  • Auch Projekte wie Injective (INJ)Filecoin (FIL)Internet Computer (ICP) und NEAR Protocol (NEAR) kamen stark unter Druck.

Damit zeigt sich ein Muster: Nicht nur kleine Experimente, sondern auch etablierte Namen mit hoher Liquidität blieben vom Ausverkauf nicht verschont.

Warum der Markt das KI‑Narrativ neu bewertet

Hype‑Zyklen: Wenn Erwartungen der Realität davonlaufen

Der Kryptomarkt ist notorisch anfällig für Narrative – und das KI‑Thema war eines der stärksten der letzten Jahre. In vielen Fällen stiegen Tokenkurse viel schneller als:

  • reale Nutzerzahlen,
  • Umsatzentwicklung,
  • oder tatsächliche Integration von KI‑Funktionalität in Produkte.

Früher oder später folgt auf solche Übertreibungen eine Phase, in der der Markt sich fragt, welche Projekte ihre Versprechen tatsächlich einlösen können. Genau in dieser Abgleichphase befindet sich der KI‑Sektor aktuell.

Konkurrenz durch klassische KI‑Player

Ein weiterer Faktor: Der kommerzielle KI‑Durchbruch findet bislang vor allem außerhalb von Krypto statt. Großen Cloud‑Anbietern, spezialisierten Start‑ups und proprietären Modellen gelingt es, Umsätze und Nutzer zu binden, ohne dass zwingend ein Token nötig wäre.

Im Vergleich dazu müssen KI‑Krypto‑Projekte erklären:

  • Warum braucht dieses Produkt eine eigene Blockchain oder einen eigenen Coin?
  • Wo liegt der konkrete Vorteil gegenüber klassischen SaaS‑Modellen?
  • Wie wird der Token langfristig ökonomisch eingebunden (Fees, Staking, Governance, Revenue‑Share)?

Wo diese Antworten ausbleiben oder wenig überzeugend wirken, korrigiert der Markt hart.

Zinsumfeld und Risikoappetit

Das makroökonomische Umfeld spielt ebenfalls eine Rolle. Steigende oder hoch bleibende Zinsen, regulatorische Unsicherheit und eine gewisse Sättigung nach Jahren von Meme‑ und Hypecoins führen dazu, dass Investoren selektiver werden.

In einem solchen Klima sind Sektoren mit maximalem Story‑Anteil und minimalem Cashflow‑Nachweis besonders verwundbar – und genau dort sitzt ein großer Teil der KI‑Tokens.

Einzelprojekte: Zwischen ernstem Tech‑Case und Narrativ‑Hülle

Infrastruktur‑Plays mit realem Nutzenpotenzial

Nicht alle KI‑Coins sind bloße Spekulation. Einige Projekte haben klare Infrastruktur‑Ansätze, etwa:

  • dezentrale Märkte für Rechenleistung,
  • Daten‑Marktplätze für Training und Inferenz,
  • Protokolle für Indexierung und Abfrage großer Datensätze,
  • Netzwerke für KI‑Agenten und Automatisierung.

Solche Modelle besitzen – zumindest theoretisch – Überschneidungen mit realen Nachfragefeldern, insbesondere wenn sie als kostengünstige Alternative zu zentralisierten Cloud‑Diensten auftreten.

Reine Narrative ohne klaren Use Case

Auf der anderen Seite gibt es eine Vielzahl von Tokens, bei denen „AI“ primär als Marketinglabel fungiert:

  • unklare Produktroadmaps,
  • wenig offene Codebasis,
  • kaum dokumentierte Nutzerkennzahlen,
  • Fokus auf Preisaktionen und Influencer‑Marketing statt auf Technologie.

Solche Projekte sind in Bullenphasen oft unter den größten Gewinnern – fallen aber in Korrekturen genauso schnell wieder auf Vor‑Hype‑Niveaus oder darunter zurück.

Was der Crash über den Zustand des Kryptomarktes verrät

Reifungsschub oder bloß nächste Blase?

Die starke Korrektur im KI‑Segment lässt sich auf zwei Arten lesen:

  • Reifungsschub: Der Markt trennt stärker nach Substanz, rangiert überzogene Projekte aus und fokussiert sich auf Protokolle mit echtem Nutzen.
  • Wiederkehrendes Muster: Ähnlich wie bei DeFi‑Summer, NFT‑Season oder Metaverse‑Hypes könnte der KI‑Sektor mehrere Zyklen aus Übertreibung und Ernüchterung durchlaufen, bevor ein nachhaltiger Kern übrig bleibt.

Wahrscheinlich ist eine Mischung aus beidem: Einige Projekte werden verschwinden, andere sich konsolidieren, wieder andere unauffällig weiterbauen, bis der nächste Makrozyklus frische Aufmerksamkeit bringt.

Verschiebung hin zu Cashflow und Produkt‑Traction

Bemerkenswert ist, dass Investoren zunehmend nach nachvollziehbaren Kennzahlen fragen:

  • wiederkehrende Umsätze,
  • reale Nachfrage nach Rechenleistung oder Daten,
  • Integrationen in bestehende Toolchains,
  • Community‑Aktivität jenseits von Preis‑Chats.

Das könnte langfristig dazu führen, dass sich ein kleinerer, aber gesünderer Kern von KI‑Projekten am Markt etabliert, während reiner Spekulations‑Overhang ausgedünnt wird.

Chancen und Risiken für Anleger

Wo Chancen liegen können

Starke Drawdowns erzeugen oft zwei Situationen gleichzeitig: Schmerz bei Alt‑Investoren, aber potenziell bessere Chance‑Risiko‑Profile für Neueinsteiger. Spannend können insbesondere Projekte sein, die:

  • ein klar umrissenes Produkt mit realer Nachfrage haben,
  • transparente Roadmaps und Teams vorweisen,
  • sinnvolle Token‑Ökonomie (z.B. Gebühren, Staking, Revenue‑Anteil) implementieren,
  • nicht ausschließlich vom „AI“-Label leben, sondern echte Tech liefern.

Solche Protokolle könnten von einem nächsten, breiter getragenen KI‑Adoptionsschub profitieren – insbesondere, wenn Unternehmen verstärkt nach offenen, interoperablen Alternativen zu geschlossenen Plattformen suchen.

Wo besondere Vorsicht geboten ist

Auf der Risikoseite stehen:

  • Token, deren Kursverlauf ausschließlich aus Hype‑Spikes besteht,
  • Projekte mit vagen Versprechen („AGI in der Blockchain“) ohne technische Detailtiefe,
  • anonyme Teams ohne Track Record,
  • extreme Abhängigkeit von einzelnen Influencern.

Nach einem –75‑Prozent‑Crash ist „billig“ nicht automatisch „günstig“: Viele Assets können noch lange seitwärts laufen oder weiter fallen, wenn Fundament und Nachfrage fehlen.

Ausblick: Wie könnte sich der KI‑Token‑Sektor 2026 entwickeln?

Szenario 1: Konsolidierung und Professionalisierung

In einem moderaten Positivszenario setzt sich durch, dass:

  • eine Handvoll Infrastrukturanbieter als Standardlösungen im Bereich Rechenleistung, Daten und KI‑Agenten etabliert werden,
  • der Token als Zugangsschlüssel, Gebührenmedium oder Governance‑Instrument sinnvoll integriert ist,
  • regulierte Vehikel (ETPs, Fonds) den Zugang zu ausgewählten KI‑Projekten erleichtern.

Dann könnte der Sektor wieder wachsen – langsamer, aber mit höherer Qualitätsbasis.

Szenario 2: Dauerhafte Nische mit hoher Volatilität

Alternativ bleibt KI‑Krypto eine Nischen‑Ecke des Marktes, die:

  • in Bullenphasen überproportional pumpt,
  • in Bärenphasen überproportional verliert,
  • langfristig nur für sehr risikobereite Anleger attraktiv ist.

In diesem Fall wären KI‑Tokens weniger ein „Basisinvestment“ und eher ein taktischer Spielplatz – ähnlich wie kleinere DeFi‑ oder Gaming‑Projekte.

KI bleibt – nicht jeder KI‑Token

Der drastische Einbruch im KI‑Token‑Sektor zeigt vor allem eines: Eine starke Technologie‑Story allein reicht im Kryptomarkt nicht aus, um Bewertungen zu halten. Das Narrativ um Künstliche Intelligenz ist intakt, aber viele der entsprechenden Coins müssen nun beweisen, dass sie mehr sind als ein Aufkleber auf einer Spekulationswelle.

Wer sich heute mit KI‑Tokens beschäftigt, findet ein deutlich abgekühltes, aber nicht totes Segment vor – mit hohen Risiken, aber auch selektiven Chancen für Projekte mit Substanz. KI als Technologie wird den Markt noch lange prägen; welche Token diesen Weg überleben und tatsächlich Mehrwert liefern, entscheidet sich erst jetzt – nach dem Hype.

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