Saisonale Muster und Monatszyklen des Dow Jones (2005–2024)
Saisonale Muster und Monatszyklen des Dow Jones (2005–2024)
Einleitung
Wie entwickeln sich Aktienkurse im Jahresverlauf? Viele Börsenbeobachter vermuten hinter der Kursentwicklung saisonale Muster – etwa bestimmte „gute“ und „schlechte“ Börsenmonate. Dieser Artikel beleuchtet genau diese Saisonmuster beim Dow-Jones-Index auf Basis der Daten von 2005 bis 2024. Wir analysieren, welche Monate im Durchschnitt die höchsten Durchschnittskurse und -renditen brachten, welche Zeiträume typischerweise bullisch (steigend) oder bärisch (fallend) waren, und wann sich Höchst- und Tiefststände im Jahr häuften. Zudem betrachten wir wiederkehrende Korrekturen – etwa im Frühjahr (z. B. März) oder während der Sommermonate – und wie makroökonomische Ereignisse diese Zyklen beeinflussen. Abschließend geht es um die Interpretation für Anleger, also was man aus diesen Mustern (und Ausnahmen) lernen kann.
Durchschnittliche Monatsrenditen im Überblick
Um saisonale Trends aufzuspüren, lohnt ein Blick auf die durchschnittlichen Monatsrenditen des Dow Jones im Zeitraum 2005–2024. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Monaten: Einige Monate glänzten im Schnitt mit soliden Kursgewinnen, während andere tendenziell Flaute oder Rücksetzer brachten.
Durchschnittliche monatliche Renditen des Dow Jones (2005–2024). Grün markiert Monate mit im Mittel positiver Rendite, Rot jene mit negativer Rendite. Besonders stark stachen April, Juli und November hervor, während z. B. der Juni als schwächster Monat leicht negativ war.
Bereits diese Grafik macht die saisonalen Schwankungen deutlich. So gab es mehrere traditionell starke Börsenmonate mit im Mittel kräftigen Zuwächsen, aber auch einige schwächere Monate, in denen der Index durchschnittlich stagnierte oder leicht fiel. Im Folgenden gehen wir detailliert auf bullische vs. bärische Monate ein und benennen konkrete Zahlen.
Typisch bullische und bärische Monate
Betrachten wir zunächst, welche Monate in den Jahren 2005–2024 überwiegend Kursgewinne verzeichneten (bullisch) und welche häufig Verluste brachten (bärisch):
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Historisch stärkste Monate: Besonders April, Juli und November waren für den Dow Jones sehr bullisch. In diesen Monaten stieg der Index in 17 von 20 Jahren an. Auch Oktober zählte tendenziell zu den besseren Monaten (12 von 20 Jahren im Plus). Die durchschnittlichen Monatsrenditen waren beachtlich: April brachte im Schnitt ca. +1,8 %, Juli sogar +2,5 % und November +2,6 %. Diese drei Monate waren somit die rentabelsten im Jahresverlauf. Oft fielen Kursanstiege in diesen Zeiträumen auch relativ konstant aus – d.h. es gab nur wenige Ausnahmejahre mit Verlusten. Beispielsweise endete der April allein 3-mal im Minus, der Juli ebenso nur 3-mal.
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Schwächste Monate: Deutlich schwieriger für Anleger waren tendenziell der Juni und teilweise der August und September. Juni war der schwächste Monat – in nur 8 von 20 Jahren verbuchte er Zugewinne, und die durchschnittliche Rendite lag bei etwa −0,4 %. Auch der August und September zeigten sich mit Durchschnitten von jeweils rund −0,2 % leicht negativ (jeweils 9 oder 10 von 20 Jahre negativ). Januar und Mai lagen mit durchschnittlich knapp unter 0 ebenfalls im Mittelfeld und tendierten eher seitwärts (Januar hatte genau 10 Gewinn- und 10 Verlustmonate, Mai 13 Gewinne zu 7 Verlusten, aber die Gewinne fielen oft nur gering aus). Obwohl diese „schwachen“ Monate keine dramatischen durchschnittlichen Verluste aufwiesen, fiel im Vergleich zu den starken Monaten auf, dass Aufwärtsphasen seltener und begrenzter waren. Insbesondere Juni als klassischen „Sommerschluss“ könnte man als bärischen Ausreißer im Kalender betrachten.
Interessant: Der oft gefürchtete September – historisch in vielen Statistiken der schwächste Börsenmonat – war in unserem Analysezeitraum zwar auch leicht negativ, jedoch nicht extrem. Das liegt daran, dass zwar einige Jahre (z. B. 2008 und 2022) im September deutliche Verluste brachten, andere Jahre (z. B. 2010 oder 2013) aber ungewöhnlich starke September-Rallyes sahen. Insgesamt bestätigt sich dennoch die alte Börsenregel „Sell in May and go away“ teilweise: Die Sommermonate Juni, August, September schnitten im Mittel schlechter ab als die Winter- und Frühjahrsmonate. Aber es gibt Ausnahmen – etwa der Juli, der mitten im Sommer consistently stark war. Anleger sollten also Saisonmuster nie als starre Regel sehen, sondern eher als Tendenzen mit Ausnahmen.
Höchst- und Tiefststände im Jahresverlauf
Neben den Durchschnittsrenditen lohnt sich ein Blick darauf, wann im Jahr der Dow Jones typischerweise seinen Höchst- oder Tiefststand erreicht. Natürlich variiert dies von Jahr zu Jahr durch spezifische Ereignisse, doch es lassen sich Häufungen erkennen:
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Jahreshochs traten auffallend häufig im späten Jahresverlauf auf. In vielen Jahren markierte der Dow Jones sein Hoch im vierten Quartal, oft im November oder Dezember. Beispiele: 2014, 2016, 2017, 2019 und 2021 erzielte der Index jeweils im November/Dezember seine damaligen Rekordstände. Dieser Effekt hängt mit der oft starken Performance gegen Jahresende zusammen (Stichwort „Jahresendrallye“), wenn Optimismus rund um Weihnachtsgeschäft, gutes Q4-Ergebnis und neues Jahr vorherrscht. Auch der April (bzw. das Frühjahr) sah in einigen Jahren wichtige Hochs – etwa weil nach einem soliden ersten Quartal die Märkte ihren ersten Höhepunkt erreichten, bevor Gewinnmitnahmen einsetzten.
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Jahrestiefs häuften sich tendenziell im Spätsommer oder Herbst. Viele Jahre verzeichneten ihren Tiefpunkt im August, September oder Oktober. Zum Beispiel fiel das Jahrestief 2015 in den August (nach dem China-Schock), 2011 in den Oktober (Eurokrise), 2018 in den Dezember (Zins- und Handelskriegssorgen), und 2022 ebenfalls in den Oktober (Zinswende/Inflationsängste). Auch August/September fungierten öfter als „Talsohle“ im Jahresverlauf, bevor der Markt sich zum Jahresende hin erholte. In einigen Fällen – gerade nach schwachen Sommermonaten – leitete der Oktober sogar eine Trendwende nach oben ein (klassisch spricht man vom „Herbstboom“ nach dem „Sommerloch“).
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Zwischentiefs im Frühjahr: Abseits der Sommerphase gab es auch auffällige Korrekturtiefs im ersten Quartal in manchen Jahren. Beispielsweise markierte März 2009 den Tiefpunkt der Finanzkrise (der Dow Jones sank damals auf sein Multijahrestief und startete dann die Trendwende). Auch März 2020 war ein markanter Tiefststand, bedingt durch den Corona-Crash. Zwar folgte in beiden Fällen sofort eine Erholungsrallye, doch zeigen diese Beispiele, dass Frühjahrskorrekturen möglich sind – insbesondere in Ausnahmesituationen.
Natürlich sind Hoch- und Tiefpunkte von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Doch zusammengefasst lässt sich sagen: Höchststände traten überproportional oft gegen Jahresende auf, Tiefststände eher in der Spätsommer- bis Herbstphase. Dieses Muster entspricht der Idee, dass Aktien im Winterhalbjahr eher steigen und im Sommerhalbjahr eher zur Schwäche neigen. Für Anleger kann es hilfreich sein, diese zeitliche Verteilung im Hinterkopf zu behalten – zum Beispiel um übertriebene Euphorie im Spätherbst oder Pessimismus im Spätsommer einzuordnen.
Wiederkehrende Korrekturen: Frühjahr und Sommer
Kein Indexanstieg verläuft ohne Gegenbewegungen. Im Dow Jones zeigten sich einige wiederkehrende Korrekturphasen, also Zeiträume, in denen es über die Jahre gehäuft zu nennenswerten Rücksetzern kam:
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Frühjahrskorrekturen (März/April): Obwohl der März im Durchschnitt leicht positiv war, kam es in einigen Jahren im ersten Quartal zu kräftigen Korrekturen. Besonders dramatisch war März 2020, als die rasche Ausbreitung von COVID-19 einen panikartigen Ausverkauf auslöste (der Dow Jones verlor im März 2020 rund 13 % und stürzte binnen Wochen vom Rekordhoch in einen Bärenmarkt). Auch 2007/2008 erlebten wir ab Februar/März 2007 eine scharfe Korrektur (ausgelöst durch die beginnende Finanzkrise und einen chinesischen Börsenschock), die sich 2008 fortsetzte. März 2018 sah einen kleineren Rückschlag (Handelskonflikt-Thematik) und März 2022 war von hoher Volatilität geprägt (Ukraine-Krieg, Zinsangst), auch wenn der Monat am Ende leicht im Plus schloss. Diese Beispiele zeigen: Gerade gegen Ende des ersten Quartals können schlechte Nachrichten oder makroökonomische Schocks eine Zwischenkorrektur auslösen, selbst wenn die generelle Saisonstimmung gut ist. Anleger, die nach starkem Jahresstart investiert sind, sollten im März wachsam bleiben und nicht blind dem Sprichwort „wie das Jahr beginnt, so setzt es sich fort“ trauen.
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Sommermonate und „Sell in May“: Die Börsenweisheit „Sell in May and go away“ rät dazu, im Mai zu verkaufen, da die Sommermonate oft schwach sind. Tatsächlich kam es häufig im Sommer zu Korrekturen oder zumindest Seitwärtsphasen. In unserem Betrachtungszeitraum gab es mehrere markante Sommer-Einbrüche: Mai–Juni 2010 (Eurokrise/„Flash Crash“ – der Dow tauchte im Mai 2010 um über 7 %), August 2011 (US-Schuldenkrise; Dow -6 % in einem Monat mit heftigen Tagesschwankungen), Mai–Juni 2012 (Euro-Krise II), August 2015 (China-Währungsschock; der Dow verlor im August ~6 % und erlebte einen Mini-Crash), Mai 2019 (Handelskrieg-Eskalation; gut -6 %) oder Juni 2022 (Inflations- und Zinsängste ließen den Dow im zweiten Quartal 2022 zweistellig fallen, mit einem lokalen Tiefpunkt Mitte Juni). Diese wiederkehrenden Sommerkorrekturen erklären, warum Juni, August, September statistisch zu den schlechteren Monaten zählen. Oft folgte auf solche Schwächephasen aber eine Erholungsrallye im Herbst. Wichtig ist: Nicht jeder Sommer war schlecht – mitunter gab es auch freundliche Sommer (z. B. 2017 oder 2021 mit stabilen Sommermonaten). Doch historisch war die Wahrscheinlichkeit für größere Rücksetzer im Sommer erhöht. Gründe können sein: geringere Handelsvolumina und Liquidität in Ferienzeiten, Häufung von Unternehmenszwischenergebnissen im Sommer (die Enttäuschungen bringen können) sowie makroökonomische Entscheidungen (Notenbanken treffen häufig im Sommer wichtige Zinsbeschlüsse oder Regierungen verhandeln Budget/Eskalationen, was Unsicherheit schürt).
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Herbststürme im Oktober: Der Oktober trägt den Ruf des „Crash-Monats“ (1929 und 1987 passierten legendäre Oktober-Crashs). In 2005–2024 gab es tatsächlich zwei herausragende negative Oktobermonate: Oktober 2008, als im Zuge der Lehman-Pleite der Dow Jones rund −14 % abstürzte, und Oktober 2018, wo zinspolitische Sorgen zu ca. −5 % führten. Allerdings war der Oktober in den meisten anderen Jahren positiv und gehört im Schnitt sogar zu den besseren Monaten (+1,2 % Ø). Das verdeutlicht: Schwere Crashs können theoretisch jederzeit passieren, und wenn sie eintreffen (wie 2008), dominieren sie die Statistik. Doch ohne solche Ausnahmeereignisse ist der Herbst oft auch der Beginn einer Erholung. Viele Jahre sahen im Oktober nach schwachem Spätsommer schon wieder deutlich steigende Kurse (z. B. Oktober 2011 +9 %, Oktober 2022 +14 % – jeweils Wendepunkt nach einer Baisse zuvor). Man könnte sagen: Oktober ist ein „volatiler Wendemonat“, der sowohl für drastische Ausverkäufe als auch für dynamische Comebacks bekannt ist.
Zusammengefasst sind wiederkehrende Korrekturen besonders im Frühjahr (manchmal März) sowie im Sommer aufgetreten. Anleger tun gut daran, in diesen Phasen verstärkt auf Risikomanagement zu achten. Wer nach starken Wintermonaten im Gewinn liegt, könnte z.B. in den Mai/Juni hinein Teilgewinne sichern oder Absicherungen erwägen. Ebenso sollte man sich von einem schwachen Spätsommer nicht entmutigen lassen, da der Herbst oft Besserung bringt.
Einfluss makroökonomischer Ereignisse auf die Zyklen
Bei aller Regelmäßigkeit der saisonalen Zyklen darf man nicht vergessen, dass außergewöhnliche makroökonomische Ereignisse die Muster jederzeit überlagern oder durchbrechen können. Einige Beispiele aus 2005–2024:
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Finanzkrise 2008/2009: In normalen Jahren sind September und Oktober oft schwach, aber was sich 2008 abspielte, sprengte alle üblichen Schwankungen. Die Pleite großer Banken und die globale Finanzkrise führten ab September 2008 zu einem beispiellosen Kurssturz. Zwischen September und November 2008 verlor der Dow Jones fast 30 % – obwohl der Oktober in anderen Jahren teils positiv war, dominierte hier das makroökonomische Schockereignis. Auch die typische Erholung zum Jahresende blieb 2008 aus (der Index fiel im Dezember weiter). Erst März 2009 markierte das Ende des Crashs. Diese Krise zeigt: Bei gravierenden ökonomischen Problemen (Bankensystem, Liquidität) lösen sich Saisoneffekte vorübergehend in Luft auf.
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COVID-19 Pandemie 2020: Ähnlich abrupt wirkte das Corona-Virus im Frühjahr 2020. Der März 2020 war – wie erwähnt – einer der schlimmsten Börsenmonate aller Zeiten. Hier war es egal, dass der Frühling sonst oft freundlicher ist: Lockdowns und panische Unsicherheit ließen den Dow zeitweise um über 35 % unter sein Februar-Hoch fallen. Interessanterweise folgte anschließend April 2020 mit +11 % einer der besten Monate überhaupt, dank massiver Stimuli der Notenbank – auch dies ein Ausreißer, denn normalerweise ist ein so starker April nicht zu erwarten. Pandemie und Geldpolitik haben das Jahreszeitenmuster also zeitweilig völlig verzerrt.
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Notenbankpolitik und Zinsen: Zentralbanken und Zinsänderungen können saisonale Trends beeinflussen. 2018 zum Beispiel erhöhte die US-Fed über das Jahr mehrfach die Zinsen. Das vertrug sich nicht mit der üblichen Santa-Rallye: Statt eines starken Q4 sahen wir einen Einbruch im Oktober und besonders Dezember 2018 (der Dow verlor im Dez 2018 etwa 9 %). Hier war die Sorge vor einer restriktiveren Geldpolitik stärker als der saisonale Kaufoptimismus. Umgekehrt war 2021 geprägt von ultralockerer Geldpolitik nach Corona – fast jeder Monat 2021 endete im Plus, auch der sonst schwache September war nur mild negativ. Erst als 2022 die Zinswende kam, kehrten typische Muster (schwacher Sommer) zurück, allerdings begleitet von einem generellen Bärenmarkt.
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Geopolitik und externe Schocks: Politische Ereignisse können ebenfalls Timing-Effekte erzeugen. August 2011 (US-Herabstufung durch S&P, Eurokrise) oder August 2015 (China-Schock) haben wir schon genannt – hier fielen geopolitische bzw. globale Faktoren genau in die Zeit, die ohnehin anfällig war. Auch Februar/März 2022 (Russlands Überfall auf die Ukraine) trafen auf einen bereits nervösen Markt und verstärkten die Volatilität im Frühjahr 2022. Solche Ereignisse können saisonale Rallyes abbrechen lassen oder Korrekturen verschärfen. Allerdings zeigt sich oft, dass nach dem ersten Schock der Markt zum vorherigen Muster zurückfindet (so erholten sich z.B. die Kurse nach dem ersten Ukraine-Schock bis zum Frühjahr 2022 zeitweise, bevor Zinsthemen die nächste Welle auslösten).
In Summe gilt: Makro-Ereignisse können die Saisonzyklen dominieren, besonders wenn sie von großer Tragweite sind. Saisonale Tendenzen sollten daher nicht isoliert betrachtet werden. Anleger müssen immer die aktuelle Nachrichtenlage und Wirtschaftsumfeld berücksichtigen. Ein schwacher Monat wie September kann durch positive konjunkturelle Signale trotzdem gut ausfallen – oder ein starker Monat wie April durch eine Krise schlecht. Die Saisonmuster sind durchschnittliche Vergangenheitswerte, die in der Realität von den Themen des jeweiligen Jahres moduliert werden.
Was bedeuten diese Zyklen für Anleger?
Für Anleger und Finanzblog-Leser mit etwas Vorwissen lassen sich aus den obigen Befunden einige Schlussfolgerungen ziehen:
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Saisonale Muster sind real, aber keine Garantie: Die Daten von 2005–2024 zeigen klare Trends – etwa starke Börsenmonate im Frühjahr und Herbst und schwächere im Sommer. Diese Kenntnis kann helfen, Erwartungen zu managen (z.B. nicht jedes Jahr auf eine Sommer-Rallye zu hoffen). Aber: Man darf die Muster nicht überbewerten. Jedes Jahr hat Eigenheiten, und Ausnahmen sind häufig. Ein Anleger sollte also nicht blind im April immer kaufen und im September verkaufen – es kommt auf den Kontext an.
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Risiko- und Money-Management an saisonalen Wendepunkten: Da größere Korrekturen überproportional oft im Sommer auftraten, kann man in dieser Zeit vorsichtiger agieren. Beispielsweise könnten Stop-Loss-Limits im Sommer enger gesetzt oder absichernde Positionen (Put-Optionen etc.) erwogen werden, insbesondere wenn der Markt bis Mai stark gelaufen ist. Umgekehrt bieten Sommer-Tiefs oftmals Einstiegschancen: Wer die Nerven behält und im August/September zu günstigeren Kursen einsteigt, wurde historisch nicht selten von der Jahresendrallye belohnt. Wichtig ist, Panik in schwachen Phasen zu vermeiden und lieber nüchtern auf fundamentale Bewertung zu schauen – oft sind Spätsommer-Kurse günstiger.
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„Sell in May“ mit Augenmaß anwenden: Der Spruch „Sell in May and go away, but remember to come back in September“ fasst eine Tendenz zusammen, aber wie wir gesehen haben, wäre man z.B. 2019 oder 2020 schlecht beraten gewesen, strikt von Mai bis September komplett draußen zu bleiben – man hätte Erholungen verpasst. Sinnvoller könnte sein: Im Frühsommer Gewinne sichern, aber Marktentwicklung weiter beobachten und bei deutlichen Rücksetzern im Sommer wieder schrittweise einsteigen. Ein dynamisches Vorgehen schlägt starre Regeln.
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Auf Jahresendrallyes vorbereiten: Die Monate November und Dezember brachten häufig kräftige Gewinne. Viele institutionelle Investoren positionieren sich gegen Jahresende optimistisch (Stichwort Window Dressing, Weihnachtsrallye). Für Privatanleger kann es lohnend sein, spätestens im Herbst investiert zu sein, um diese Phase mitzunehmen – natürlich vorausgesetzt, die Marktumstände sprechen nicht dagegen. Ein im Sommer aufgebautes Aktienengagement kann man gezielt bis ins neue Jahr halten, da statistisch das Winterhalbjahr (Nov–Apr) besser rentierte als das Sommerhalbjahr.
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Makro-Filter vorschalten: Saisonale Strategie sollte stets mit der aktuellen Lage abgeglichen werden. Befinden wir uns gerade in einer Rezession, Kreditkrise oder Pandemie, können die üblichen Zyklen aussetzen. Daher sollte man vor großen Schritten fragen: Passt die Saison-Prognose zur Marktlage? Beispielsweise: Ein normalerweise starker April könnte enttäuschen, wenn im März ein Zinsschock kam. Oder ein normalerweise schwacher September könnte doch steigen, wenn wichtige Fortschritte (z.B. bei Impfstoffen 2020 oder Friedensverhandlungen) erfolgen. Flexibilität und das Ohr an den News sind entscheidend.
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Emotionen zügeln: Das Wissen um saisonale Muster hilft letztlich auch psychologisch. Wenn man weiß, dass Korrekturen im Sommer „normal“ sind, fällt es leichter, Ruhe zu bewahren und nicht in Panik am Tiefpunkt zu verkaufen. Umgekehrt warnt einen die Erfahrung, dass ein starker Jahresstart nicht garantiert das ganze Jahr anhält – man wird also nicht übermütig und behält einen kühlen Kopf, falls eine Frühjahrskorrektur einsetzt. Saisonale Muster bieten also einen historischen Kontext, in dem man aktuelle Bewegungen besser einordnen kann.
Fazit: Die Dow-Jones-Analyse 2005–2024 bestätigt saisonale Börsenzyklen in groben Zügen. Es gibt klar bevorzugte Zeiträume für Stärke (Spätjahr, Frühling) und Schwächephasen (Sommer). Für Anleger sind diese Muster ein nützliches Werkzeug, um Strategien zeitlich zu justieren und Marktschwankungen gelassener zu begegnen. Allerdings ersetzen sie keine gründliche Analyse der aktuellen Lage. Wer saisonales Timing mit solider Fundamentalanalyse und Risikomanagement kombiniert, kann daraus einen Vorteil ziehen – wissend, dass auch an der Börse nach dem Winter meist wieder ein Frühling kommt, selbst wenn zwischendurch mal ein Sturm tobt.