Astonom:innen haben zum ersten Mal eine Art „Landkarte“ jener unsichtbaren Grenze erstellt, an der das Sonnenfeuer endgültig in den freien Raum entweicht. Im Fokus steht die sogenannte Alfvén-Oberfläche – eine physikalische „Linie ohne Rückweg“, an der der Sonnenwind schneller wird als die magnetischen Wellen, die ihn eigentlich noch an die Sonne binden könnten.
Was genau haben Forschende kartiert?
Die neuen Karten zeigen die äußere Grenze der Sonnenkorona, also jenes hochverdünnten Plasma-Schleiers, der sich millionen Kilometer über der sichtbaren Sonnenoberfläche (Photosphäre) erhebt. An der Alfvén-Oberfläche erreicht der Sonnenwind jene Geschwindigkeit, ab der das Magnetfeld der Sonne ihn nicht mehr zurückholen kann – ab dort werden die Teilchen unwiderruflich ins interplanetare Medium hinausgetragen.
Die Analyse bestätigt, was Modelle seit Langem vermutet hatten:
- In Phasen hoher Sonnenaktivität (Sonnenmaximum) bläht sich diese Grenze auf und nimmt eine komplexe, „stachlige“ Form an.
- In ruhigeren Phasen (Sonnenminimum) zieht sie sich näher an die Sonne heran und wirkt glatter und homogener.
Damit existiert nun erstmals ein direktes, zweidimensionales Abbild dieses dynamischen Übergangsbereichs.
Wie Parker Solar Probe & Co. das möglich machten
Um die Karten zu erstellen, kombinierten Forscher:innen Daten des NASA-Sonnensondenprojekts Parker Solar Probe mit Messungen weiterer Raumsonden nahe der Erde. Parker taucht mit jeder Umlaufbahn tiefer in die Sonnenkorona ein und konnte den Bereich unterhalb der Alfvén-Oberfläche direkt beproben, während weiter entfernte Satelliten den resultierenden Sonnenwind in größerer Distanz registrierten.
Durch diese Mehrpunkt-Messstrategie ließ sich rekonstruieren, wo genau das Magnetfeld der Sonne seinen Einfluss verliert und der Sonnenwind frei in den Raum hinausströmt. Die Übereinstimmung zwischen den Karten und den In-situ-Daten der Sonde bestätigt, dass die Modelle die reale Struktur der Grenzfläche gut treffen.
Warum diese „Grenzlinie“ so wichtig ist
Die Position und Form der Alfvén-Oberfläche entscheidet darüber, wo und wie der Sonnenwind entsteht und welche Eigenschaften er hat. Das ist aus mehreren Gründen relevant:
- Sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Frage, warum die Korona millionen Grad heiß ist, während die Oberfläche der Sonne deutlich kühler bleibt.
- Sie bestimmt mit, wie energiereiche Ereignisse wie Sonnenstürme und koronale Massenauswürfe in den interplanetaren Raum eingespeist werden.
- Sie ist ein zentraler Faktor für die kosmische Wetterlage, die Satelliten, Astronaut:innen, Funkverkehr und Stromnetze auf der Erde beeinflussen kann.
Je besser sich diese Grenzregion verstehen und modellieren lässt, desto präziser werden Prognosen für Weltraumwetter und mögliche Auswirkungen auf unsere technische Infrastruktur. Die neuen Karten liefern dafür erstmals ein zusammenhängendes Bild der „äußeren Sonnenhaut“, das sich in Zukunft über ganze Aktivitätszyklen hinweg weiter verfeinern lässt.