16 Blockchains mit „Freeze“-Funktion – Wie Bybit neue Risiken in DeFi identifiziert

Die Kryptowelt wird von dem Prinzip der Dezentralisierung und Freiheit geprägt. Doch ein aktuelles Bybit-Sicherheitsaudit zeigt, dass viele der populärsten Blockchains Funktionen in ihrem Code verankern, die das Einfrieren von Nutzer-Assets ermöglichen. Was bedeutet das für die Sicherheit, Transparenz und Philosophie der Blockchain-Branche? Im Folgenden werfen wir einen journalistischen Blick auf die Ergebnisse des Bybit-Reports, ordnen die Community-Reaktionen ein und liefern Kontext sowie Hintergründe zu einem der wichtigsten und umstrittensten Themen der Kryptoszene.

Hauptbefunde des Bybit-Reports

Wo steckt die „Freeze“-Funktion? – Die betroffenen Blockchains

Laut der Analyse von Lazarus Security Lab bei Bybit wurden in folgenden Netzwerken technische Mechanismen zum Einfrieren von Tokens entdeckt:

  • BNB Chain
  • Aptos
  • Sui
  • Chiliz
  • VIC
  • XDC Network
  • VeChain
  • Harmony ONE
  • HVH
  • Supra
  • EOS
  • Oasis Network
  • WAX
  • Linea
  • Waves
  • HECO Chain

Darüber hinaus können weitere Netzwerke Funktionen zur schnellen Asset-Blockade aktivieren, darunter Arbitrum, Cosmos, Axelar, Babylon, Celestia, dYdX, Dymension, DymEVM, Evmos, Initia, Kava, Terra, Mantra, Nillion, OKB Chain, THORChain, Sei, SRCT und XION.

Die drei Kategorien des Asset-Freezing

Die Recherche offenbart drei unterschiedliche Interventionsmechanismen:

1. Hardcoded im Protokoll:
In großen Blockchains wie VeChain und BNB Chain können bestimmte Adressen mit „Blacklisten“ versehen werden – laut Bybit erstmals 2019 eingesetzt nach einem Hack bei VeChain. Hier verweigert das Netzwerk allen von Blacklists betroffenen Wallets zentral das Signieren von Transaktionen.

2. Kontrolle durch Validatoren oder Foundations:
Bei manchen Systemen liegen die Kontrollmöglichkeiten – etwa das Sperren bestimmter Adressen – bei den Validatoren, Stiftungen oder spezifischen Entwicklergruppen.

3. System-Verträge/smart contracts:
Ein Spezialfall ist das Asset-Freezing über on-chain smart contracts wie beim HECO-Netzwerk. Innerhalb dieses Kalküls können Blacklists praktisch in Echtzeit editiert und für alle Validatoren sofort gültig gemacht werden.

Beispiele: Wie reagieren Blockchains im Ernstfall?

Fallstudien aus der Praxis

Der Bericht nennt als prominentes Beispiel den Sui-Hack bei der DEX Cetus im Jahr 2025: Nach dem Verlust von rund 220 Millionen USD konnten durch die direkte Einfrierungsfunktion immerhin 162 Millionen USD zeitnah gesichert und wieder der Börse zugeführt werden. Diese schnelle Intervention zeigt, dass Blockchains mit „Notfall-Optionen“ durchaus als Sicherheitsnetz dienen können – das erhöht aber zugleich die Kontrolle und widerspricht klassischen DeFi-Prinzipien.

Experten und Meinungen – Zwischen Sicherheitsvorteil und Vertrauensverlust

Stimmen aus der Branche

„Viele Blockchains, die ursprünglich auf die Ideale der Dezentralisierung gebaut wurden, entwickeln inzwischen pragmatische Sicherheitsmechanismen, um schnell auf Bedrohungen reagieren zu können“, sagt der Risikomanager von Bybit, David Dzun.

Fachleute plädieren für vollständige Transparenz: Netzwerke sollten öffentlich darlegen, welche Eingriffsmöglichkeiten tatsächlich bestehen – und Nutzer rechtzeitig und umfassend informieren.

Die Reaktion der Community: Empörung und Debatte um die Selbstbestimmung

Kritische Stimmen und Provokationen

Die Erkenntnis, dass Blockchains das Einfrieren von Assets unterstützen, hat in der Community für erheblichen Unmut gesorgt. Von Nutzern wird die „Freeze“-Funktion häufig als Bruch mit dem Ideal der freien, dezentralen Finanzwelt gesehen. Oft genannt:

  • „Web2 in neuer Blockchain-Verpackung“: Einige Experten verweigern den Begriff Blockchain, wenn zentrale Kontrollelemente eingebaut werden.
  • „Rotes Warnsignal“: Die Möglichkeit, Geld zentral zu sperren, untergräbt laut Kritikern das Grundvertrauen in die Glaubwürdigkeit von DeFi.
  • „Elternschutz und Allstopp-Taste“: Manche beschreiben die Freeze-Funktion als Kontrollmechanismus, der der ursprünglichen Vision von Dezentralität widerspricht.

Andere verweisen darauf, dass „public code“ als Sicherheitsfunktion und nicht als heimliche Hintertür zu begreifen ist: Die Managementfunktionen sind öffentlich einsehbar und sollen dem Schutz der Nutzer dienen.

Pro und Contra: Schutz vor Diebstahl oder Risiko für die Freiheit?

Vorteile

  • Schnelle Reaktionsmöglichkeiten bei Hacks
  • Potenzieller Schutz der Gemeinschaft vor systemischen Betrügereien
  • Höhere technische Kontrollmöglichkeiten führen zu realer Schadensbegrenzung

Nachteile

  • Wertverlust klassischer Dezentralisierung
  • Gefahr zentraler Entscheidungsmacht
  • Potentiell problematisch für Privatsphäre und Selbstbestimmung

Hintergrund und Kontext: Wie dezentral sind Blockchains wirklich?

Viele Nutzer sind überrascht, wie zentralisiert selbst moderne Blockchains agieren können, sobald es um die Sicherheit geht. Die Bybit-Studie zeigt, dass Dezentralität kein absoluter Wert ist, sondern oft von Mitbestimmungsrechten, Governance-Strukturen und Notfallmechanismen relativiert wird.

Die Debatte um die richtige Balance zwischen Nutzerfreiheit, Sicherheit und technischer Kontrolle dürfte die Kryptobranche in den kommenden Jahren weiterhin prägen.

Ausblick und Fazit

Die Enthüllungen von Bybit sind ein Denkanstoß für Nutzer, Entwickler und Investoren im Blockchain-Bereich. Nur mit transparenten Sicherheitsmechanismen, klaren Governance-Regeln und stetigem Dialog zwischen Community und Betreibern kann das langfristige Vertrauen in DeFi und Blockchain-Technologien gewährleistet werden.

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